Das Alptraum-Auto aus Newton Dee

Er kann, sie kann, NISSAN...
Ich und das Farmcar


Ein Traum in Baby-Blau Ich bin Markus und das Farmcar ist ein uralter Nissan Pick-Up, ein Alptraum in Babyblau. Zweimal in der Woche fuhren wir über Land, wir beide, morgens in aller Frühe, nachdem die Kühe gemolken und die Milch pasteurisiert worden war. Unsere Aufgabe war der 'Milkrun', die Belieferung diverser Schulen und Häuser im Umkreis von Aberdeen mit frischer Milch.
Zweimal in der Woche nahm ich also die Kannen mit der frischen Milch aus der Kühlung, ordnete sie schon in der richtigen Reihenfolge auf der Ladefläche an und startete meine Tour. Ich habe sie immer genossen, meine Fahrten, wenn der Tag gerade erwachte und die Welt noch in den Federn lag. Aber nicht immer ging es so gemächlich zu. Gerade wenn man mal verschlafen hatte, mußte man sich ganz schön sputen, damit noch jeder pünktlich zum Frühstück seine Milch erhielt. Doch gerade in der Hektik neigt das Gehirn gelegentlich dazu, vorübergehend seine Arbeit einzustellen. Die Briten lieben neben den unvermeidlichen 'roundabouts' insbesonders ihre 'ramps', halbrunde Aufpflasterungen auf der Straße. In der Eile fiel mir die Position einer dieser Ramps natürlich erst wieder ein, nachdem ich mit 40 Meilen darüber hinweg gebrettert war. Der Nippon-Laster war nicht das einzige, was dabei abhob. Wie in Zeitlupe sah ich im Rückspiegel die 'milk-jugs' gen Himmel aufsteigen und wieder niederfallen. Panisch fuhr ich links ran und sah meinen Verdacht bestätigt: Die Ladefläche sah aus wie ein mit Milch gefüllter Swimmingpool. Zum Glück gab es auf meiner Tour mehrere Häuser, die in der Vergangenheit noch nie die von ihnen bestellte Milchmenge komplett aufbraucht hatten. So konnte ich etwas aus deren Kannen auf die anderen umverteilen und mich somit halbwegs aus der Affäre ziehen. Nochmals Glück gehabt.


Ein Traum in Baby-Blau Viel Spaß mit dem Farmcar hatte ich an einem besonders kalten Wintermorgen. Um kurz nach 6 hielt ich an der ersten Station meiner Tour - einem einsam gelegenen Cottage. Des Nachts war reichlich Schnee gefallen und der Boden war ordentlich vereist. Nachdem ich die Milchkanne ordnungsgemäß vor der Haustür abgestellt hatte, versuchte ich, wieder von dem Vorplatz runterzukommen. Aber rien ne va plus - nichts ging mehr. Wilde Flüche ergingen gegen die Konstrukteure aus dem Land der aufgehenden Sonne - wenn sie während der Entwicklungsphase nicht zu tief ins Raki-Glas geschaut hätten, wären sie wohl zu der Erkenntnis gelangt, das so ein Allradantrieb für einen Pick-Up eine feine Sache gewesen wäre. So stand ich aber auf dem vereisten Untergrund, mit Hinterradantrieb und ohne nennenswerter Zuladung auf Ladefläche. Was soll's, dachte ich noch, kein Problem, versuch's einfach mal mit dem nächsten Gang. Pustekuchen. Meine Flüche richteten sich nun gegen die Farmleute, die am Vortag eine landwirtschaftliche Maschine transportieren mußten und zu diesem Zweck die beiden schweren Betonblöcke, die schon den ganzen Winter über auf der Ladefläche über der Hinterachse lagen, entfernen mußten. Natürlich war am Abend auch keiner mehr motiviert gewesen, die Dinger wieder draufzuwuchten.
Aber nach nur 20 Minuten vergeblicher Anfahrversuche hatte ich wohl genug Leute aus dem Schlaf gerissen, die mich dann, in Nachthemden und Morgenmänteln bekleidet, wieder freischaukeln konnten. So kam ich zumindest bis zum nächsten Haus, wo sich die Prozedur wiederholte.




Ein Traum in Baby-Blau Eines Tages unternahm ich mit einem anderen, jungen und aufstrebenden Landworker - nennen wir ihn der Einfachheit halber Karsten - an einem sonnigen, arbeitsfreien Nachmittag einen Ausflug nach Loch Muick in den Grampian Mountains. Karsten hatte erst vor wenigen Wochen seine Fahrprüfung abgelegt und seitdem auch nicht mehr am Steuer eines Fahrzeugs gesessen. Leider Gottes wollte er, der Fahrpraxis wegen, sich zumindest während des Hinweges hinter das Steuer des babyblauen Farmmobils klemmen. Konnte er schon auf der gut ausgebauten Straße kaum die Spur halten - richtig kriminell wurde es erst auf der Single-Track Road, die von der Ortschaft Ballater zum Loch Muick hin abzweigte. Diese war eine enge, einspurige Straße, teilweise mit einem fiesen Abhang rechts, und Karsten eierte von einer Seite zur anderen. Richtig Freude kam auf, als so ein blöder Touri mit seinem Camper nicht den nächsten Passing-Place ansteuerte, sondern sich mit seinem Fickcontainer noch an uns vorbeidrängen wollte. Das ging nur, wenn man hart am Abhang steuerte - und das bei Karstens Fahrkünsten. 'Karsten, bis du sicher, dass ich nicht fahren soll? - Nein, Nein, ich mach' das schon' - Oh, Himmel hilf. Ich vermied den Blick aus dem Seitenfenster, sonnst hätte ich meine atheistische Lebensphilosophie wohl über Bord geworfen und den Rest meines Lebens im Kloster verbracht. Die drei Kreuze beim Aussteigen am Ziel konnte ich mir nur so gerade noch verkneifen.

Markus Gansel



Die Unmoralische