Das Triefauge

Die Zeiten sind vorbei, als eigentlich fast jeder mit einem Käfer das Autofahren angefahren hatte, bzw. irgendwann einmal einen Käfer haben mußte. Bei mir stand der Käfer ganz oben auf der Wunschliste, als ich 18 wurde - damals war mein Fiat Panda aber ein kaum abzulehnendes Angebot und so kam ich erst viel später zum Kugelporsche und zwar im Austausch gegen meinen 1600er Vari mit Wertausgleich.

mal genau die Höher der zwei Scheinwerfer betrachten...
Das erste, was bei diesem Wagen auffiel: Der Motor zog wirklich nicht die Wurst vom Brot als ich ihn Probefahrt, war ich mir nicht ganz sicher, ob es diesen Wagen nicht auch als Gehilfe von der AOK gesposored gibt. Er hatte auch ein paar Schönheitsfehler, wie zwei verschiedene vordere Kotflügel, die ihn auf den zweiten Blick als Triefauge enttarnten, aber er brachte mich von a nach b. Mit einem montierten Sportlenkrad kam ich auch mit meinen Haxen XXL (ich bin 2,04m groß) zurecht.
In der Zeit, während ich diesen Käfer fuhr starb Heinz Rühmann. Es gibt nichts schöneres, als Sonntags aufzuwachen und erst einmal einen s/w Film von Heinz Rühmann zu sehen, bevor man seinen Arsch aus der molligen Bettwärme in die kalte, feindliche Welt zu erhebt. Also Grund genug, an der Autoantenne einen Trauerflor zu hissen, als Zeichen meiner Trauer. Ich wurde öfters danach gefragt, was das bedeuten soll und so klebte ich ein Bild von Heinz Rühmann in die Windschutzscheibe mit den Worten darunter: "Heinz ist tot!". Das hatte zur Folge, daß ich im Anschluß von einigen Freunden mit eben diesen Worten begrüßt wurde: "Heinz ist tot!".

Tot war auch irgendwann der hintere Kotflügel und die darauf folgende Stoßstange. In einer eleganten rechts-links-Kombination der Straßenführung in Mainz Mombach tastete ich mich immer näher an die Ideallinie heran. Da es an jener Stelle bergab geht hatte der Wagen auch etwas Speed, ein schöner Spaß auf dem Weg zur FH. Irgendwann wurde die Ideallinie zu ideal, so daß eine weiß/rote Barke im Weg stand. Der hintere Kotflügel versuchte durch Verformung sich um die Barke zu drücken, die hintere Stoßstange blieb als Anker daran hängen. Resultat: wildes Umherschleudern, herunterreisen der Hinteren Stoßstange und der Barke. Aussteigen, wieder zu sich kommen und Schadensaufnahme. Erstmal habe ich die Stoßstange provisorisch wieder hochgebunden und das Verkehrsschild zur Seite gelegt. Währenddessen schepperte es immer furchtbar auf der Gegenspur und ich fragte mich, über was der Verkehr da rollte: es war meine Radkappe....
Den Schaden am Schild habe ich bei der Polizei gemeldet, die Stadt Mainz montierte eine neue Barke. Eigentlich sollte ich auf der Rückseite noch eine Widmung anbringen - schließlich habe ich das Ding bezahlt.

Zweimal habe ich mich auch mit diesem Wagen auf ein Autotreffen gewagt. Das eine war eines der größten deutschen VW-Treffen, das VW-Forum in Castrop Rauxel. Es werden kaum andere Fahrzeuge dieser Qualität dagewesen sein - die meisten Teilnehmer hatten eine Mörderkohle in ihr Auto versenkt.

Bei manchen Fahrzeugen verstehe ich das - bei den meisten, die hier vorgefahren waren natürlich nicht. Aber auch mein Auto hatte auf diesem Treffen eine ganz besondere Ausstattung zu bieten: Über den vorderen Scheinwerfern klebte ich folienkaschierte McDonalds Pappsonnenblenden als Schlafaugen auf und natürlich hatte der Wagen auch einen Sportauspuff: zwei vorher fix ausgetrunkene Einliterdosen Faxe über die Endrohre des Serienauspuffes gesteckt und fertig war die Showanlage - auffälliger als irgendein aufgeschweißtes Ofenrohr, wie es bei den Freeks sonst so üblich ist.
Von McDonalds kam leider kein Sponsorengeld
Klar bin ich zwischen all den PS-Boliden beim Beschleunigungsrennen mitgefahren - gewonnen habe ich dabei zwar nichts, jedoch war bei meinen zwei Läufen das Gegröle wohl mit am größten - schließlich war ich der einzige, der in Schlangenlinien gefahren ist. Bei 34PS kein wunder, wer will schon diese Kräfte bändigen? Beim zweiten Durchlauf gings dann kerzengeradeaus - mußte ich leider, ein Kamerateam bat mich mitfahren zu dürfen - bei mir käme es doch eh nicht auf die Sekunde an.

Gruppe F Auspuffanlage
Bei dem Käfer ging zwar innerhalb der 1,5 Jahre, die der Wagen noch TÜV hatte, einiges kaputt, jedoch nichts so spektakuläres, daß man es hier erwähnen sollte. Dann rückte jedoch der TÜV-Termin näher.
Ein Freund von mir, der bei einem Autohaus beschäftigt ist meinte, ich sollte ihn doch einfach bei ihm zum Werkstatt-TÜV vorbeibringen, so schlecht schaut das Teil ja noch nicht aus, so was müßte doch leicht durchzuboxen sein. So glücklich verlief der Termin dann doch nicht. Der Wagen wurde auf die Hebebühne gehoben und der TÜV-Prüfer bekam ein nicht zu übersehendes Stirnrunzeln, als ein dünner Ölstrahl aus dem Motor floß, direkt auf den Werkstattboden. Ich bekam keinen Stempel, der Stift mußte die Werkstatt säubern und da die Reparatur nicht rentabel erschien mußte ich den Wagen wieder losschlagen. 250 Märker hat der Kugelporsche immerhin noch gebracht und der Pole, der ihn gekauft hat, hatte ihn angeblich innerhalb eines einzigen Nachmittages öldicht. Vielleicht hätte ich diesem Mann nicht den Wagen verkaufen sollen, sonder ihn nur zum reparieren einstellen sollen. Aber dann würde ich mich ja noch heute vor jedem längeren Autobahnberg fürchten, an dessen Kuppe man auch gern schon einmal von einem LKW überholt wird...