Das Rennen

Meine Erfahrungen als Crashtestdummy

Schon als kleines Kind wollte ich schon immer mal - dann, wenn ich groß bin - ein Stockcar Rennen fahren. Ich weiß nicht, ob das in der Natur des Mannes liegt, ein Genschaden, oder einfach nur die pure Lust an der Zerstörung. Irgendwie kam ich aber nie auf ein offizielles solches Rennen - nicht einmal als Zuschauer.

Fast wie Schumis Ferrari
Im Urlaub in Spanien lernte ich Carlos kennen - Hilfe hat der Mann eins an der Klatsche, aber auf die positive Art und Weise. Und der Familie von Carlos gehört eine Kiesgrube mit angrenzendem Baggersee. Was noch viel wichtiger ist: Carlos hatte den gleichen Genschaden, wie ich. Irgendwann kam ein Anruf von ihm, ob ich nicht Lust hätte, ein Rennen zu fahren in eben jener Kiesgrube.
Ein Kindheitstraum sollte wahr werden. Also mußte erst einmal ein Rennfahrzeug her. Es fand sich bei meinem Garagennachbarn in Form eines Sciroccos. 55 PS, rundum ein paar Beulen, keine Heckklappe, Tank durchgerostet, kein Kühler. Preis: Eine Kiste Gottsmannsgrüner Pilsner. Den Kühler bekam ich dazu, alles andere durfte nichts kosten, so fing ich an zu improvisieren. Ein Waschmittelkanister sollte den Tank ersetzen. Beifahrersitz einfach weggeworfen, ein paar Löcher in den Unterboden, Kanister festgebunden, hält. Einen langen Benzinschlauch rein, Lüftung eingeschlagen und den Schlauch dadurch zur Benzinpumpe, fertig.
TÜV-Prüfer bitte wegsehen

Sehr offener Luftfilter
Genauso radikal fielen alle anderen Tuningmaßnahmen aus. Luftfilter - Ballast, weg damit. Statt dessen ein Rohr drauf, Loch über dem Vergaser in die Haube - und das Ansauggeräusch war fett.

Die Karre haben wir dann via Hänger quer durch halb Deutschland zu der Kiesgrube geschleppt. Kein billiger Spaß, aber er war es wert.

Die Regeln waren sehr einfach - ein abgesteckter Kurs, 20 Runden fahren, der schnellste wird in den Baggersee geworfen. Am Start waren neben meinem Scirocco noch ein Opel Kadett mit 52 PS und ein Golf GTI mit 110 PS. Wir schenkten uns nichts. Irgendwie schafften wir es keine Runde ohne Kontakt zu fahren - irgendeiner war immer im Weg. Zudem kämpfte ich mit dem Steinregen, der durch den durchrosteten Unterboden durch den Fahrzeuginnenraum hagelte. Nach vielleicht 10 Runden schob mich einer der anderen beiden Drecksäcke aus der Bahn, so daß alle vier Räder in der Luft hingen und ich keinen Meter weiter kam. Das Rennen wurde kurz unterbrochen, die Zuschauer des Spektakels schoben mich vom Hügel - unter Verlust der kompletten Auspuffanlage. Ach ja, zwei Reifen waren auch schon platt. Einen davon verlor ich dann nach einer gewissen Zeit noch komplett. Naja, zwei Runden auf der Felge gingen noch, dann vergrub sich diese in den Kies - kein Meter mehr. Radwechsel. Bis ich einen Wagenheber organisiert hatte - Räder hatte ich noch zwei dabei - hatten die anderen Schrecken der Kiesgrube netterweise den Kotflügel über dem Rad schon bis in den Motorraum gedrückt - paradiesische Arbeitsverhältnisse.
Eigntlich war es ne Kiesschlacht

Ach ja - gestaubt hat es auch ein wenig
Ich habe keine Ahnung, wie lange das Rennen ging. Als erstes verreckte der GTI an gerissener Antriebswelle. So war's recht. Mein Scirocco verlor Runde um Runde an Leistung. Ein Skandal, bei einem sonst so gut erhaltenen Fahrzeug! Irgendwann platzte vermutlich ein Kolben - Die Ölfontäne aus dem nach oben verlängerten Vergaser deutete zumindestens drauf hin.
Der Rest des Rennen ist kurz erzählt - der Kadett lief vielleicht noch drei, maximal vier Runden um dann abzusaufen und nicht mehr anzuspringen. Die drei Fahrer öffneten ihr erstes Bier an diesem Nachmittag, da kam auch schon der bestellte Schrotthändler, der alle drei Autos abholte.
Weinen Sie um die Fahrzeuge - jetzt!
Die Party im Anschluß war, glaube ich, noch ziemlich abgefahren. Doch wenn ich ehrlich bin: ich konnte mich schon am nächsten Tag kaum an die Party erinnern ;-)
 
 
An alle Haßmailschreiber, die über den Verlust eines Scirocco Chrommodells heulen:
Die Geschichte fand ca. 1990 statt. Damals waren olle Sciroccos Wegwerfartikel, die man an jeder Ecke nachgeworfen bekommen hat. Wenn ich den Wagen nicht in der Kiesgrube zerlegt hätte, würde er heute auch nicht mehr leben, weil sich ein Neuaufbau damals sicherlich nicht gerechnet hätte und der Wagen höchstens noch als Teileträger verwendbar war.