Roberts AUTO-Biografie

Teil 1: VW Käfer

Ich wurde im Dezember 1970 in einer westdeutschen Großstadt geboren.

Aus naheliegenden Gründen fehlt mir hierzu jedoch jegliche Erinnerung. Meine Erinnerung setzt wie das wohl bei den meisten - außer vielleicht bei traumatischen - Kindheitserinnerungen üblich ist vorerst nur fragmentarisch ein. So erinnere ich mich an eine ganze Sammlung von Einzelheiten, die so erschreckend belanglos sind wie wohl auch die der meisten anderen Kindheiten. Was mir jedoch recht klar haftenblieb war meine Faszination für Autos.

Woher diese resultiert, ist mir selbst ein Rätsel. Meine Eltern hatten soweit ich zurückdenken kann, immer einen eigenen Wagen. Zwar meist recht alt und verbraucht, aber immerhin ein eigenes Fahrzeug. Nun legten sie zwar immer sehr viel Wert auf ein Auto, aber in diesem mehr als nur als ein Fortbewegungsmittel zu sehen, war ihnen völlig fremd.

Ich wuchs auf in einer Kleinstadt bei D., meinem Geburtsort. In dieser Stadt, einer trostlosen anonymen Trabantensiedlung, bemerkte ich nach und nach mein Interesse für Autos aller Art. Dieses machte sich zuerst nur durch ein reges Interesse an Spielzeugautos bemerkbar - welche ich zwar mit aller Inbrunst eines Fünfjährigen liebte, was mich jedoch nicht daran hinderte, diese nach allen Regeln der Kunst zu demolieren, um möglichst realistische Unfallszenarien aufzubauen.

Angeblich soll ich schon als Kleinkind immer von Schrottplätzen angezogen worden sein: meine Eltern hatten einige Jahre einen Schrebergarten gepachtet, der praktisch an einen noch heute existierenden Autoverwerter angrenzte, und ich soll immer wenn wir zusammen die Einfahrt zu diesem passierten, in Geschrei ausgebrochen sein. Ob meine Eltern aus diesen oder aus anderen Gründen den Garten aufgaben ist mir unbekannt, allerdings hat meine Begeisterung für diesen Autofriedhof merklich nachgelassen, seit ich dort die Reste meines ersten eigenen Autos zur letzten Ruhe gebettet habe.

Mein erstes Auto: ich war siebzehn und mein Auto fast zwei Jahre älter als ich. Ein VW 1300, Baujahr 1969! Meinen Führerschein bekam ich ein halbes Jahr vor meinem achtzehnten Geburtstag, weil ich eine Ausbildungsstelle in einer Spedition antrat: ich wollte - was auch sonst - Berufskraftfahrer werden. Über das Arbeitsamt erlangte ich eine Ausnahmegenehmigung zum vorzeitigen Erwerb der Fahrerlaubnis. Ich hielt mich hierzu allerdings tagelang mehr in den hierbei beteiligten Behörden wie Arbeitsamt und Straßenverkehrsamt sowie beim TÜV auf als sonst irgendwo. Möglicherweise habe ich hierbei einen bleibenden Schaden davongetragen, jedenfalls bin ich heute Beamter.

Mein Käfer! Zehn Tage bevor ich der Schule endgültig den Rücken kehrte, bekam ich meinen heißersehnten Führerschein, nach fünf Tagen auch mein erstes eigenes Auto. Die Erinnerung an diesen Wagen haftet noch heute in meinem Gedächtnis, als sei es erst gestern gewesen, daß ich ihn schweren Herzens auf dem bereits erwähnten Schrottplatz zurückgelassen habe - aber es war wohl besser so. Ich erlebte mit ihm interessanteste Begebenheiten, die überwiegend auf den erstaunlichen technischen Zustand des Fahrzeugs zurückzuführen waren - teilweise aber auch auf das bemerkenswerte Stadium fahrerischer Selbstversuche meinerseits.

Bereits in den ersten Monaten, die ich den Wagen besaß, mußte ich die leidvolle Erfahrung machen, daß dieses Auto gegen seinen eigentlichen Ruf alles andere als zuverlässig und pflegeleicht war; dies tat der Liebe jedoch kaum Abbruch. Ich sah mich allerdings genötigt, dem Fahrzeug einen Namen zu geben und diesen verewigte ich auch mit mittelgroßen goldenen Buchstaben auf der Motorhaube. Seit diesem Tage bekommen alle meine Autos Namen, auch wenn ich sie nicht auf jedem Wagen veröffentliche.

Ich trat meine Ausbildungsstelle in dem Speditionsbetrieb direkt nach der Schulentlassung an, ließ mich jedoch dazu überreden, bis zum Beginn der Regelausbildungszeit als "Praktikant" dort zu arbeiten. Dies war, wie sich später herausstellen sollte, ein Fehler. Nachdem ich nämlich bereits mehr als vier Monate dort tätig war - meine dreimonatige Probezeit jedoch noch nicht ganz abgelaufen war - bekam ich meine Papiere: ich hatte den neuen Dreitonner, den Augapfel vom Juniorchef, gründlich kaltverformt, leider an einem hübschen S-Klasse-Mercedes. Viele Leute würden jetzt sagen: selbst schuld, Unfälle sind vermeidbar. Dem muß ich entgegenhalten: ich war ein siebzehnjähriger Auszubildender mit gerade vier Monaten Fahrpraxis, der von seinem Chef gebeten wurde, nach acht Arbeitsstunden doch noch "mal eben nach Kassel īrüberzufahren". Welcher Azubi würde seinem Arbeitgeber eine solche Bitte wohl abschlagen? Kurz und gut, ich fuhr mal eben nach Kassel; wohlgemerkt, aus dem Rheinland! Leider lief dieser Tag nicht sonderlich gut. "Meinen" Kleinlaster hatte gerade zwei Tage vorher ein Aushilfsfahrer werkstattreif gefahren, so mußte ich mit dem neuen Wagen los. Irgendwann auf der Autobahn stellte ich fest, daß der vorhandene Reifendruck nur noch ein Schatten seiner selbst war, will sagen: pro Reifen fehlten mehr als ein Bar Druck. Dieser Zustand hielt vermutlich schon seit längerem vor, jedenfalls flog mir kurz nach der Korrektur ein Vorderreifen um die Ohren. Gegen 22:00 Uhr abends im November im strömenden Regen auf der völlig unbeleuchteten Autobahn einen Reifen zu wechseln kann ich nur jedem Menschen wärmstens empfehlen - vorausgesetzt, dieser hat masochistische Ambitionen und einen pathologischen Hang zum Suizid. Schließlich war ich kurz vor ein Uhr nachts wieder auf dem Speditionshof, mußte dann noch etwa fünfzehn Kilometer weit nach Hause fahren, dort duschen und versuchen etwas Schlaf zu finden. Allerdings: das Einschlafen fiel mir wirklich nicht schwer.

Dafür aber das Aufstehen - schließlich mußte ich um sechs Uhr morgens wieder in Wuppertal die Fracht ausliefern. Nach nicht ganz drei Stunden Schlaf stand ich also wieder auf, und zwar mit einer gut ausgeprägten Grippe: die Aktion der letzten Nacht zeigte nachhaltig Wirkung. Wenig später wurde ich auf einer Landstraße im Raum Wuppertal von dem recht häßlichen Geräusch geweckt, welches entsteht, wenn sich ein Lastwagen mit etwa siebzig Stundenkilometern in einen geparkten Oberklassewagen bohrt. Wenn ich heute an jene Nacht zurückdenke, dann weiß ich noch, wie ich den Firmenhof verlassen habe; wie ich jedoch überhaupt noch bis Wuppertal gefunden habe kann ich mir bis heute nicht erklären. Dies war jedenfalls das Ende meiner Laufbahn als Fernfahrer.


Nicht gerade der Traumzustand...
Nachdem ich also arbeitslos geworden war, hatte ich zum Trost immer noch meinen Käfer. Ohne eigenes Einkommen diesen zu unterhalten war eigentlich nicht möglich - jedoch griff mir mein Vater hierbei hilfreich unter die Arme: Steuer und Versicherung bezahlte er mir, für den Sprit jedoch mußte ich meine eigenen Quellen finden. Mein Taschengeld wurde so zum Spritgeld, meine Besuche bei den Großeltern wurden ebenso zur Einkunftsquelle: für jeden Besuch waren mir fünf Mark sicher. Aus meiner Sicht stellte sich die Sache dar wie folgt: 5,- DM = ca. 4,5 l Benzin = ca. 45 km. Entfernung zu den Großeltern: 10 km = Reingewinn von 25 km. Im Übrigen habe ich diese Rechenweise noch heute verinnerlicht, auch jetzt noch rechne ich unerwartete Einnahmen und unvorhergesehene Ausgaben auf eine Kilometerdistanz um. Meine letzte Werkstattrechnung von 1.200,- DM entspricht immerhin einer Rundreise durch halb Europa.
Beim Arbeitsamt empfahl man mir nun, den Wunschberuf Kraftfahrer ad acta zu legen, und es statt dessen einmal mit einem Bürojob zu versuchen. Ich war zu dieser Zeit ohnehin ziemlich konsterniert, und so hätte ich wahrscheinlich auch das Angebot einer Lehrstelle als Straßenkehrer widerspruchslos hingenommen. Ich bewarb mich also bei verschiedenen Steuerberatern und - um beiden Seiten gleiche Chancen zu gewähren - auch beim Finanzamt, bei welchem ich dann später auch tatsächlich eingestellt wurde. Bis dahin verging jedoch noch fast ein Jahr.

In dieser Zeit verschlechterte sich der Zustand meines Käfers rapide. Erschien der Wagen als ich ihn bekam zwar noch recht rüstig, forderte nunmehr der Zahn der Zeit mit Nachdruck sein Recht. Dies fiel mir zum ersten Male richtig auf, als ich nachts um halb drei Uhr während eines kräftigen Sommergewitters mitten auf der Auffahrt einer Rheinbrücke liegenblieb - ohne Vorwarnung versteht sich. Mit Mühe konnten wir das Auto von der Fahrbahn bugsieren, was sehr schnell vonstatten gehen mußte, weil mir erst hierbei auffiel, daß die Batterie des Fahrzeugs wohl auch schon bessere Tage gesehen hatte - von einer Beleuchtung war nämlich schon nach kürzester Zeit keine Rede mehr.

Das Liegenbleiben wiederholte sich noch mehrfach: der Motor ging während der Fahrt aus, und war nicht mehr anzubekommen. So mußte ich das Auto oft nach Hause abschleppen lassen. Wenn ich dann jedoch dort ankam und noch einmal einen Startversuch unternahm, sprang der Motor stets willig wieder an, so daß die Fehlersuche praktisch unmöglich wurde. Die Tips von "alten Hasen": "dat muß die Leerlaufabschaltdüse sin, die macht immer so `ne Sperenzjen, dat iss normal!" halfen nicht und auch die Werkstatt, aus der der Wagen kam, konnte nichts finden. Den Fehler entdeckte ich schließlich durch puren Zufall selbst: es handelte sich schlicht und einfach um eine schadhafte Benzinleitung, die sich langsam auflöste und so von ihrer eigenen zerbröselnden Substanz verstopft wurde. Bis dahin hatte ich jedoch schon einmal vor Wut eine tiefe Beule in einen Kotflügel getreten.

Auch andere Defekte machten sich bemerkbar. Zwar anfangs schleichend, doch mit der Zeit konnten mir die diversen Mängel nicht verborgen bleiben. So hatte zum Beispiel die Lenkung schon bei der Anschaffung ein deutliches Spiel, nach nicht einmal einem halben Jahr war es allerdings schon auf echte fünfzehn Zentimeter angewachsen, und alle Nachstellversuche fruchteten nicht. Noch etwas später hatte der Verschleiß im Lenkgetriebe derartig groteske Formen angenommen, daß ich, wollte ich auf trockener und sauberer (und somit absolut griffiger) Straße ein- oder ausparken, den Wagen beim Einschlagen immer leicht am Rollen halten mußte, weil ich ansonsten zwar das Lenkrad drehen konnte, die Zahnräder des Lenkgetriebes hierbei jedoch nur mit einem häßlichen Knirschen übereinander rieben, ohne daß die Vorderräder sich hiervon auch nur im geringsten beeindrucken ließen. Auch die vorderen Stoßdämpfer hatten ihre Wirkung restlos verloren, und so hatte ich diese - nachdem sie auch noch anfingen zu klappern - einfach ersatzlos ausgebaut, was dem Fahrverhalten jedoch gar nicht so abträglich war wie ich ursprünglich befürchtete. Gravierender war dann doch die Bremsanlage, deren Bauteile nacheinander ebenfalls die Arbeit einstellten. Dies begann mit einem festgegangenen Radbremszylinder vorn rechts, was eigentlich noch nicht weiter schlimm war - schließlich hatte ich noch drei andere bremsbare Räder. Einige Zeit später jedoch mußte ich feststellen, daß mein Getriebe sein Öl nicht mehr halten konnte, das Getriebeöl lief nämlich zur rechten Hinterachshälfte heraus - und natürlich zur Bremstrommel wieder herein! Von nun an wurde das Bremsen und Anhalten zwangsläufig etwas schwieriger, zumal auch das linke Seil der Handbremse festgegangen war und das rechte nur noch auf eine gut geölte Bremstrommel zugreifen konnte. Wirklich interessant allerdings wurde die Angelegenheit erst, nachdem auch der Hauptbremszylinder seine Aufgabe nicht mehr ganz ernst nahm, und ich zum Bremsen immer erst einmal durch Pumpen einen gewissen Druck erzeugen mußte. Allerdings hat auch das nicht immer geholfen - dreimal konnte ich leider keinerlei Bremswirkung erzielen, obwohl ich pumpte wie ein Weltmeister. Beim ersten Mal fuhr ich mit etwa 100 km/h auf das Ausbauende einer Landstraße zu, den Neunzig-Grad-Winkel zur Nebenstraße nahm ich hier statt mit üblichen vierzig immerhin noch mit mehr als siebzig Stundenkilometern - und zwar auf zwei Rädern! Beim zweiten Mal wollte ich nachts um drei vor einer innerstädtischen roten Ampel anhalten, nach etwa 150 Metern Fahrtstrecke unter wildestem Pumpen donnerte ich jedoch ungebremst mit sechzig km/h über die Kreuzung - gottseidank war weit und breit weder ein anderer Verkehrsteilnehmer noch ein Vertreter der Freund-und-Helfer-Gilde zu sehen. Das dritte Mal verlief gänzlich unspektakulär - eigentlich wollte ich nämlich stoppen, um einen Anhalter mitzunehmen. Nachdem mein Wagen jedoch nicht stoppen wollte fuhr ich eben weiter (wahrscheinlich ist dem Tramper das so sogar lieber gewesen !).

Auch akrobatische Übungen hatte ich zu absolvieren: nachdem man mir zum vierten Mal auf unserer Wohnstraße den linken Außenspiegel abgerissen hatte und das Ersatzteil irgendwie nicht mehr wirklich fest zu montieren war, mußte ich mich damit abfinden, jenseits der 60-km/h-Grenze über keinen Außenspiegel mehr zu verfügen - dieser legte sich dann nämlich windschnittig an die Tür an. Immer wieder beim Unterschreiten der "magischen" sechzig Stundenkilometern das Fenster herunterzukurbeln, um das Spiegel wieder auszuklappen, war an sich nicht weiter schwierig, problematisch wurde es jedoch, nachdem auch der Mechanismus der Fensterkurbel seine Arbeit einstellte.
Vorsicht Lebensgefahr!
Durch Verschleiß der Zahnräder im Türkörper mußte ich nämlich die Fensterscheibe rund ein Drittel des Weges von Hand hochziehen, weil die Mechanik einfach nicht mehr griff. Dies während der Fahrt zu veranstalten war abenteuerlich: mit einer Hand die Kurbel drehen, mit der anderen Hand die Scheibe hochziehen, bis die Zahnräder wieder griffen, mit der dritten (???) Hand die eigenwillige Lenkung im Zaum halten... einfach war das nicht. So war ich immer froh, wenn ich einen Beifahrer im Auto hatte: der mußte nämlich lenken, bis ich mit meinen Kunststückchen fertig war.

Überhaupt die Beifahrer: Die bemitleidenswerten Menschen wurden von mir zu allen möglichen Hilfestellungen herangezogen. So mußte etwa bei kaltem Wetter mein Mitfahrer den Wischdienst übernehmen (wer einmal einen Käfer besaß, kennt die schon sprichwörtliche Neigung zum Beschlagen), bei Nieselregen fungierten sie gegebenenfalls als lebende Intervallschalter für die Scheibenwischer und in den ersten Monaten wurden sie auch noch als Einparkhilfen auf die Straße gestellt ("wink mich mal eben ein!"), weil die Kotflügel des VW geradezu als zum Anecken gebaut schienen. Es war erstaunlich, wie stoisch die meisten Mitfahrer auf diese Bedingungen reagierten, auch schienen sie die latente Gefahr in der sie schwebten, nicht wahrzuhaben. Dabei war sie eigentlich unverkennbar, nachdem ich nämlich zum zweiten Mal den Tank ausbauen mußte, um an der Vorderachse eine abgerissene Schraube auszubohren, bekam ich leider den Einfüllstutzen nicht mehr so dicht wie ich es mir gewünscht hätte. Von nun an durfte ich nicht mehr volltanken, weil ansonsten ein großer Teil des Sprits verlorengegangen wäre - aber das war keine wirkliche Einschränkung für mich, da ich damals ohnehin für maximal 15 DM tanken konnte. Schwerer wog da schon, daß auch bei jedem Tankvorgang etwas Benzin an der Dichtung vorbei den Weg in den Innenraum fand. Der Kraftstoff sammelte sich in einer rinnenartigen Vertiefung der Armaturentafel, und tropfte schließlich durch den Schalter für die Warnblinkanlage nach innen. Nun ja, aber das Auto war ohnehin ein Nichtraucherfahrzeug, und wann braucht man schon nach dem Tanken den Warnblinker? Richtig störend war eigentlich nur der immerwährende penetrante Benzingestank im Inneren des Wagens, aber auch daran gewöhnte ich mich mit der Zeit.

Bevor jedoch die Probleme mit dem Auto so richtig auffielen, gab ich mich der Illusion hin, der Wagen sei eigentlich noch richtig gut. Aus diesem Grunde erstand ich eines Tages eine Dose Lack, einige Bögen Schleifpapier und - für alle Fälle - eine Tube Rostumwandler. Nachdem ich jedoch unter jedem kleinen Rostpickel den ich anschliff eine mittelgroße Durchrostung fand, wurde ich der Kosmetikarbeiten ziemlich schnell überdrüssig. Also erwarb ich auch noch eine große Dose Prestolith und einen noch größeren Topf mit Unterbodenschutz. So konnte ich die Löcher wieder gnädig verhüllen und mir einreden, daß die Karosserie so schlecht gar nicht sei, ich müsse mir nur einmal richtig Zeit dafür nehmen. Statt dessen kümmerte ich mich nun erst einmal um Gemütlichkeit und Komfort, die Innenausstattung hatte nämlich auch schon einmal bessere Tage gesehen. Die gesamte Auslegeware im Fahrzeuginneren war bereits ein Opfer von Fäulnis und Schimmel geworden, also riß ich sie komplett heraus und besorgte auf einem Schrottplatz eine neue. (Daß sich dieser Verwerter später einmal zu meiner zweiten Heimat entwickeln würde, ahnte ich damals noch nicht.) Die neuen Teppiche waren zwar völlig intakt, leider aber auch vollkommen verdreckt, so daß ich, als meine Mutter einmal einige Stunden nicht im Haus war, diese erst einmal in die Waschmaschine warf. Zwei Waschgänge (bei 40° - man kann ja nicht vorsichtig genug sein) später sahen sie aus wie neu, und nach dem Trocknen klebte ich sie ein. Hierfür kaufte ich mir eine große Dose Pattex. Nach dem Einkleben kam ich auf die glorreiche Idee, ein paar Kilometer zu fahren, um mit der Heizungsluft das Abbinden des Klebstoffes zu beschleunigen, und wenig später stellte ich ziemlich benebelt fest, daß ich damit wohl jeden herkömmlichen Klebstoffschnüffler getoppt habe - diese halten sich im allgemeinen ja die Tüte vor das Gesicht, anstatt sich gleich im ganzen hineinzusetzen (dies ist übrigens wirklich nicht zur Nachahmung empfohlen, wer einmal mit einem 40-PS-Käfer versucht hat, im Powerslide zu wenden, wird wissen was ich meine). Nun ja, ich war noch eine Zeit lang ziemlich unzurechnungsfähig, nachdem ich aber meinen Flash abgebaut hatte, superte ich mein Auto weiter mit einer richtigen elektrischen Scheibenwaschanlage aus einem BMW, einem Elektrolüfter aus dem Zubehörhandel (der mir täglich mindestens eine Sicherung sprengte) und einigen weiteren kleinen Goodies, die ich auf dem Autofriedhof meines Vertrauens erwarb.

Später kamen dann Zeiten, in denen ich mehr unter dem Auto lag, statt drinnen zu sitzen. Hierbei stellte ich dann mehr und mehr fest, daß meine Vorstellungen von der Qualität meines Autos vom tatsächlichen Zustand doch deutlich abwichen, aber dennoch hatte ich zeitweilig sogar Hoffnungen, den Wagen vielleicht doch noch einmal über den TÜV zu bringen - schließlich war der sonst chronisch durchgerostete Vorderachskörper noch so gut wie neuwertig, und auch der Motor lief nachdem die Benzinzufuhr sichergestellt war ohne Fehl und Tadel. In dieser Zeit entwickelte sich auch eine tiefe und innige, bis heute gepflegte Feindschaft mit einem Nachbarn meiner Eltern, die sich an der angeblich unzumutbaren Beschaffenheit meiner Auspuffanlage entzündete. Im gleichen Zeitraum mußte ich leider auch mehrmals feststellen, daß jemand meine Benzinleitung im - nicht abschließbaren - Motorraum an- beziehungsweise durchgeschnitten hatte, was ich erst durch den Einbau eines metallarmierten Schlauches unterbinden konnte. Wenig später stellte ich auf der Autobahn einmal fest, daß jemand die Radmuttern meines rechten Hinterrades bis auf wenige Umdrehungen gelöst hatte. Den Urheber dieser Freundlichkeiten konnte ich jedoch nie ermitteln, ebenso wie die Identität der Zeitgenossen unbekannt blieb, die mir unzählige Male den Außenspiegel und die Antenne "umdekorierten".

M. und T., zwei Freunde aus der Schule und ich, wir trafen uns jedes Wochenende, anfangs für stundenlange Spiele an M.īs Computer, später - gelegentlich mit wechselnder Besetzung - zu einer ewigen Skatrunde, woraus sich inzwischen, nach etwa zehn Jahren, ein loser Stammtisch in einer guten Kneipe entwickelt hat. Die ersten Jahre trafen wir uns ausschließlich in er Wohnung von M.īs Mutter, der wir mit schöner Regelmäßigkeit (jede Woche!) den Kühlschrank ausräumten, was mir damals als völlig selbstverständlich erschien - in der Rückbetrachtung verstehe ich allerdings nicht, daß sie ihre Vorräte nicht mit Vorhängeschlössern, Selbstschußanlagen und Tellerminen zu sichern versuchte.


wie der "fremde" Kotflügel an den Wagen kam,
erfahren Sie weiter unten im Text
Zu diesen Treffen holte ich T. stets ab und fuhr ihn anschließend wieder nach Hause, immer irgendwann zwischen spät Nachts und früh am Morgen. Auf einer Abkürzung durch den Wald, die sich hauptsächlich durch viele große Schlaglöcher auszeichnete, geschah es irgendwann, daß beim Fall in ein besonders tiefes Schlagloch in stockdunkler Nacht alle elektrischen Verbraucher ausfielen. Überrascht davon, plötzlich ohne Licht, Scheibenwischer und Radio, jedoch mit unbeirrbar weiterlaufendem Motor durch die Nacht zu fahren, reagierte ich einige Sekunden lang gar nicht, nach etwa 20 oder 30 Metern fiel ich dann in ein ähnlich tiefes Schlagloch, und der Strom war wieder da.
Als mir in der darauffolgenden Woche an der selben Stelle das gleiche wieder passierte, war ich nur noch wenig erstaunt, danach nahm ich es als gegeben hin. Die Ursache des Fehlers konnte ich nicht genau lokalisieren, da der gesamte Kabelbaum des Autos recht mitgenommen war, aber das störte mich nicht sonderlich. Ich wußte jetzt, daß etwas derartiges passieren konnte, also nahm ich mir vor, mich darauf einzustellen. Tatsächlich ist auch nie etwas aufgrund diesen Defektes passiert, allerdings ist ja der Totalausfall auch ausschließlich auf der besagten einsamen Waldstrecke aufgetreten, dies jedoch mit schöner Regelmäßigkeit.

Mein Freund M. war der mit Abstand ignoranteste Beifahrer meines Lebens: er war niemals durch irgend etwas aus der Ruhe zu bringen und bewahrte stets Haltung. Das äußerte sich etwa dadurch, daß er an einer roten Ampel einer Dame in einem nachfolgenden BMW freundlich zuwinkte - nachdem ich mit einer 90-Grad-Drehung quer auf zwei Fahrspuren vor ihr zum Halten kam. Auch besaß er scheinbar keine Körperfunktionen, oder konnte diese zumindest nach Belieben abstellen. Als wir einmal im Hochsommer nach Bonn fuhren, saß ich in Shorts und T-Shirt am Steuer und konnte die Hitze kaum aushalten, weil - typisch Käfer - die Heizungsklappen festgerostet waren, und somit die Heizung nicht mehr abzustellen war. Doch M. saß ungerührt neben mir, in Jeans und Sweatshirt, und fand es nicht einmal nötig, seine Jacke auszuziehen. Daß sich nicht ein Tropfen Schweiß auf seiner Stirn zeigte ist klar; mir lief er derweil in Strömen.

T. war etwas empfindlicher. Nachdem ich mit ihm zusammen einmal "zügig" an einer gelben Ampel abgebogen bin, und dabei nach seinem Geschmack zu dicht an einen an der Kreuzung wartenden Eiswagen geraten bin, mußte ich ihm künftig vor Antritt jeder Fahrt stets versprechen, alle anderen Verkehrsteilnehmer, insbesondere aber rollende Eisdielen am Leben und unversehrt zu lassen. Auch der Eismann schien diese Situation so dramatisch empfunden zu haben: jedesmal wenn er mich in der Folgezeit sah, versuchte er, mich in möglichst großem Bogen zu umfahren. Einmal jedoch war auch T. recht cool. Wir fuhren zu dritt zu einem Eiscafe, als mir ein Fahrzeug aus dem Querverkehr die Vorfahrt nahm. Bei meiner Vollbremsung versetzte sich mein Auto etwa um zwei Meter zur Seite, was uns tatsächlich vor einem Unfall bewahrt hatte. T. öffnete das Fenster und brüllte hinaus: "sei froh, daß hier die Bremsen im A... sind, sonst hätte es gescheppert !"

Hatte ich eben noch erwähnt, daß es in dem Auto im Hochsommer unerträglich heiß war, so war im darauffolgenden Winter das genaue Gegenteil der Fall. Als die Außentemperaturen langsam sanken, und ich nicht mehr den ganzen Tag mit offenen Fenstern und Schiebedach herumfahren konnte oder mußte, nahm ich sehr schnell einen "leichten" Abgasgeruch wahr. Es stellte sich heraus, daß die Heizbirnen komplett durchgerostet waren, und so einen - immerhin mollig warmen - Strom reinen Abgases in den Innenraum leiteten.
Von dieser Seite ging wahrscheinlich
die geringste Gefahr aus
Einige Tage fuhr ich so wiederum mit offenen Fenstern und Schiebedach herum und wärmte mir wenigstens von Zeit zu Zeit die Hände an den Heizungsdüsen, aber ich mußte einsehen, daß das insbesondere bei Regen keine Dauerlösung sein konnte. Also entfernte ich kurzerhand die kompletten Leitungen, die die Heizungsluft von den Wärmetauschern in den Innenraum leiten sollten. Von nun an war die Luft in dem Auto wieder deutlich besser, leider aber auch deutlich kälter. Als ich also einmal frühmorgens mit dem Wagen in eine benachbarte Stadt fuhr, so mußte ich bei minus 10° Celsius unterwegs dreimal anhalten, um die Frontscheibe wieder freizukratzen - wohlgemerkt: von innen! Später in diesem Winter ließ ich dann tatsächlich noch einen "guten" gebrauchten Auspuff einbauen, der dann auch wirklich wieder eine gewisse Heizleistung zur Verfügung stellte ohne mich der Gefahr einer Kohlenmonoxydvergiftung auszusetzen. Im nächsten Sommer stellte ich jedoch zu meinem Leidwesen fest, daß sich auch diese Heizung wiederum nicht mehr abstellen ließ.

Wie schon erwähnt, war ich zu dieser Zeit arbeitslos, ein neuer Job war noch nicht in Sicht, so verbrachte ich meine Zeit mit einer Fortbildungsmaßnahme des Arbeitsamtes. B., ein Mädchen aus dem gleichen Lehrgang, hatte mein Interesse geweckt, und so versuchte ich so galant wie nur irgend möglich zu sein. Eines Tages bot ich ihr ob des strömenden Regens an, sie nach Hause zu fahren, was sie zu meiner Freude auch annahm. Also lief ich nach Unterrichtsschluß zu meinem Auto und fuhr zum Eingang, wo B. bereits wartete. Sie stieg ein, ich setzte zurück, und - platsch - ergoß sich ein Schwall kalten Wassers über mich und meine Beifahrerin! Bis zu diesem Tage war das Schiebedach des Käfers absolut dicht gewesen, und auch danach hatte ich niemals mehr nennenswerte Wassereinbrüche zu verzeichnen - nur bei dieser einen Gelegenheit konnte sich mein offensichtlich eifersüchtiger Wagen wohl nicht mehr zurückhalten.

Das erstaunlichste in dieser Zeit war eigentlich, daß mir in mehr als einem Jahr und auf über 30.000 km mit diesem Fahrzeug nie ein schwerer Unfall passiert ist. Einen Unfall hatte ich zwar, aber das war noch bevor der Käfer durch extreme Sicherheitsmängel aufgefallen ist: auf nassen Straßenbahnschienen bin ich beim Abbiegen einem Opel aufgefahren. Dieser Schaden wäre gar nicht weiter gravierend gewesen, wenn mein Kontrahent nicht auch wieder gerade in einem neuen Wagen unterwegs gewesen wäre. Nun ja, von diesem Tage an besaß mein Käfer in Saharabeige eben einen schreiend gelben linken Vorderkotflügel - von meinem "freundlichen" Schrotthändler. Aber auch dieser Kotflügel sollte nicht ungeschoren davonkommen: Beim Ausparken aus einer recht engen Parklücke blieb ich mit dem Ende des vorderen Stoßfängers an einer Laterne hängen, und riß mir so nicht nur den Stoßfänger zur Hälfte ab, sondern zog die gesamte Halterung desselben durch den Kotflügel, wobei ich auch acht bis zehn Schrauben des Kotflügels ausriß. Dieser Schaden war jedoch leicht zu beheben: ich fuhr sachte gegen die nächste erreichbare Hauswand, um den Stoßfänger wieder an Ort und Stelle zu bringen und fixierte ihn dann mit dem gleichen Gartendraht, mit dem ich auch den Kotflügel wieder befestigte. Bei diesem entfernte ich nämlich die ob der immens erweiterten Schraublöcher unbrauchbar gewordenen Schrauben, zog besagten Blumendraht durch die Öffnungen und "nähte" den Kotflügel so praktisch wieder an die Karosserie an. So war er nicht nur wieder an seinem Platz, sondern hatte auch gleichzeitig eine sehr praktische flexible Befestigung, falls es mal wieder eng werden sollte.


Das Ende meines geliebten ersten eigenen Autos nahte, als eines Abends mein Vater mich um die Autoschlüssel bat: er wollte den Wagen auf der Straße umparken, um meiner Mutter für ihren Golf mehr Platz zu machen. Er zog mit dem Zündschlüssel von dannen, um keine fünf Minuten später wachsbleich in der Tür zu stehen: "Robert, dein Auto hat keine Bremsen mehr !!!" Ich versuchte ihm zu erklären, daß das so nicht stimmen würde, mit der richtigen Methode bekäme man den Wagen gut zum Stehen (die Ausnahmen hierbei erwähnte ich vorsichtshalber nicht), doch es war zu spät.
Mein Vater nahm mich beiseite und redete mir gut zu: er verstünde ja daß ich an meinem Käfer hinge, aber ich solle mir doch einmal überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, auf ein neueres, besseres, sichereres Auto umzusteigen. Das Geld hierfür würde er mir auch leihen, aber ich solle mich doch sehr zügig nach einem adäquaten Ersatz umsehen. Meinen Hinweis auf das ohnehin in fünf Monaten bevorstehende Ableben des Wagens anläßlich der dann fälligen TÜV-Vorführung quittierte er mit einer sehr besorgt gerunzelten Stirn und noch einigen eindringlichen Kommentaren, die sich zeitlich jedoch mehr um Tage und Stunden, denn um Monate drehten, und so gab ich mich geschlagen.

Die folgenden Tage verbrachte ich mit dem Abfahren der umliegenden Gebrauchtwagenhändler, und hierbei tat mein Vater etwas, was mir heute noch Bewunderung abringt: jedesmal, wenn ich ein Fahrzeug in die engere Wahl gezogen hatte, stieg er wie selbstverständlich mit in mein Auto ein und fuhr mit mir mit, um mich bei der Kaufentscheidung zu beraten - und das geschah deutlich mehr als zehn Mal! Fündig wurden wir schließlich bei einem Gebrauchtwagenhändler in der unmittelbaren Umgebung, mein neues Auto war ein Kadett C, gerade halb so alt wie mein Käfer und fast doppelt so teuer. Der Wagen wurde gekauft und zugelassen und stand bereits vor der Haustür, als ich meinen morschen Freund zum Verwerter brachte. Derselbe Schrotthändler, bei dem ich ein paar Dutzend Male Teile für den Käfer gekauft und bei dem ich viele hundert Mark gelassen habe, war nun nicht bereit, mir für den Wagen mehr als dreißig Mark zu bezahlen - trotz der liebevoll instandgesetzten und gepflegten Innenausstattung, des gesunden Motors und des einwandfreien Vorderachskörpers !

Schweren Herzens akzeptierte ich das Gebot und nahm zur Erinnerung nur die Motorhaube wieder mit nach Hause. Diese besitze ich auch heute noch: das Nummernschild noch montiert, die Kennzeichenbeleuchtung an einen Transformator angeschlossen hängt sie als ewiges Licht in der Diele unserer Wohnung, und auch meine Lebensgefährtin hat sich inzwischen mit ihr angefreundet oder zumindest abgefunden. Auch der Name des Autos steht noch wie damals über der Kennzeichenbeleuchtung. Er lautete
 

ROLLING DISASTER.





© Text und Fotos: Robert Delhey