Eigentlich war es ein Vernunftsauto

Wir verbrauchen Pappas Familienkutsche

Meinen Pappsatt kannte ich von der ersten Stunde an - kein Wunder! Es war ursprünglich der Wagen meines Vaters. Und es war der erste 907er in unserer Familie. Mein Vater kümmerte sich früher nie um das Kennzeichen seines Wagens - und so kam er rein zufällig zu einer 907 als er sich 1983 den kosmos metallic lackierten VW Passat 1,6 Formel E zulegte. Erst als mein Bruder und später ich den Führerschein machten entschieden wir uns beide für die selbe Nummer und seit dem haben wir uns alle drei auf diese Nummer eingeschossen. Daß mein Vater zufällig den Namen dieses Magazins festlegte - diese Tragweite war ihm damals wahrscheinlich nicht bewußt. Komisch eigentlich...

Der Pappsatt - noch fast orginal
Ich durfte den Passat des öfteren fahren, nachdem ich als erstes Auto den Wunderfiat hatte und der nicht gerade die Zuverlässigkeit in Person war. Dabei mußte ich auch feststellen, daß der Passat tatsächlich breiter als ein Fiat Panda war. Sehr zum Ärgernis meines Vaters - gleich am nächsten Tag fing ich an den Abdruck eines Pfeilers unserer Grundstückeinfahrt wieder aus dem hinteren Radlauf und der hinteren Tür zu spachteln.
Während ich zum Panda zum Scirosto und vom Scirosto zum VW 1600TL wechselte blieb mein Vater dem HO-EE-907 treu. Mit dem Ausscheidergeld von der Bundeswehr hatte ich 1990 plötzlich Geld auf dem Konto. Ein Zustand, den ich unbedingt ändern mußte! Eigentlich wollte ich den Pappsatt nicht haben, er war doch so spießig - überhaupt nicht das, was man unter einer coolen Karre verstand. Mein Vater machte einen unwiderstehliches Preisangebot, weit unter dem Zeitwert, der Wagen hatte kurz vorher ein neues Getriebe und eine neue Kupplung bekommen - ein guter Deal. Im Nachhinein habe ich es nicht bereut. Damals war der Wagen noch rundum silbern - so langweilig, daß ich gar kein Foto davon mehr hatte. Da sollte sich aber bald ändern...
Anfangs lief der Wagen einfach prima - durch den Spargang relativ sparsam trotz Rasermentalität und 75 PS - na zumindest wenn man den Motor richtig hochjagt kommt da eine vernünftige Fortbewegung zustande. Es dauerte also schon ein wenig, bis etwas passierte, das man hier erwähnen könnte. Doch sehr bald kam es zum ersten Ereignis, das das Aussehen des Wagens veränderte. Ich habe neben einem Vorstudiums mit ein paar Freunden Parties organisiert auf privater Basis - in Oberfranken wohl die damals größten Bottleparties. Zu groß viel die Silvesterparty 1990 aus - statt der erwarteten 800 Gäste kamen etwa 1.500 Partysanen um neue Maßstäbe wilder Abfeierei zu setzen - ein Teil davon waren zwei junge Damen die es wahnsinnig lustig fanden, auf meiner Motorhaube zu tanzen - Resultat: errrrrotisch in Kreisbewegungen bis zum Blech durchgeschliffene Kratzer - es war ein wunderbarer Schotterparkplatz. Jetzt konnte mir mein Vater eigentlich nicht mehr böse sein, wenn ich seinen schönen Ex-Wagen nun zu verschandeln anfing - das könnte ja rosten!
Wie schon gesagt, ich machte damals ein Vorstudium und zwar am freien Institut für Kunst und Design in Neustadt an der Waldnaab. Genau das richtige Ambiente für künstlerische Übergriffe. Ein Kommilitone hatte da einen wunderbaren Airbrushsatz und noch nie auf einem Auto gesprüht und ich eine verkratzte Motorhaube.... Heraus kam ein Kaffeelöffel, der eigentlich sehr realistisch wirkte - wenn wir nicht etwas mit dem Klarlack verkehrt gemacht hätten - die Lackschichten trockneten verschieden schnell, so daß das schöne Bildchen in lauter kleine Fetzen zerissen wurde - egal - der erste Schritt der "Entsilberung" war getan!
Den nächsten Schritt provozierte mein Lieblingsrentner. Ich wollte diesen Mann küssen! Bei der allmontaglichen Fahrt zu meiner Schule nahm mir jener liebe Mensch doch einfach die Vorfahrt und bremste mit der hinteren Tür und dem hinteren Radlauf meines Spießerautos. Ihm war die Sache ultrapeinlich mir mehr als recht. Ich war eh gerade wieder mal pleite und wie schon erwähnt, ich hatte noch etwas Skrupel Vaters schönen Wagen zu verschandeln. Die Rechtslage war klar - vorsichtshalber ließ ich mir einen Unfallbericht unterschreiben. Der nächste Weg führte mich in meine ehemalige Kaserne - schließlich war ich im KFZ und da gabīs Werkzeug! Mit dem Hammer dengelte ich den Radlauf so weit nach außen, bis er nicht mehr am Reifen schliff und dann gingīs weiter zum TÜV - Gutachten erstellen lassen.
So sehen 3.300 DM Sachschaden aus
Ich kassierte nach Gutachten und erledigte die Reparatur aus eigenen Mitteln. Eine gebrauchte Tür kam vom Schrott. Ausgebeult wurde zunächst mit dem Abschleppseil, das ich an einer Schraube durch den Radlauf und einem Baum befestigte und dann schräg vom Baum wegfuhr und das gröbste herauszog. Ein Freund schweißte einen Reparaturradlauf darüber, den Rest erledigten 2 Dosen Spachtel - von wegen Seitenteil auswechseln. Die Reparatur hielt übrigens bis zum Schluß ohne irgendwelche Risse zu zeigen. Der Reingewinn der Aktion waren fast 3.000 DM Genau soviel hatte ich für den Wagen gelöhnt - dieser Rentner hatte mir den Pappsatt also geschenkt!

Der schöne Harald und der noch schönere Passaratti
Die neue Tür war weinrot, also nicht gerade passend und so kam es zu einer bunten Sprühdosenlackierung in allen möglichen Farben - eine wahre Lackierungsorgie. So gewappnet kann man sich schon mal auf einem Autotreffen sehen lassen. Die Wahl fiel auf das erste VW Forum in Castrop Rauxel 1991. Die Wahl des Beifahrers fiel auf den Waldmeister, auch schöner Harald genannt. Ab Samstag war Treffen, wir fuhren vorsichtshalber am Freitag los um irgendwo unterwegs eine Sause zu machen - die Wahl fiel auf Köln.
Wir machten eine Tequillaralley durch die Altstadt und übernachteten, wie damals eigentlich sehr oft, im Passaratti. Am nächsten Morgen wieder auf die Piste Richtung Ruhrpott, bei der ersten Tankstelle Tankstop und das klassische Day-After-Gespräch:

„Ich hätte mal ne dumme Frage!“
„Es gibt keine dummen Fragen!“
„Na dann - auf welcher Autobahn bin ich denn hier überhaupt?“

Irgendwie quälten wir uns nach Castrop. Als wir ankamen lag der Beifahrer immer noch im Liegesitz, eingehüllt im Schlafsack, nur mit Unterhosen bekleidet. Vor jedem Autobahnkreuz stand ich mit Warnblinkanlage auf dem Standstreifen - der Beifahrer konnte mich leider nicht navigieren.
Auf dem Treffen waren erwartungsgemäß nicht viele Passat zu finden - den Kult um diesen Wagen haben bisher nur wenige verstanden. Irgendwer polierte seine verchromten Einspritzleitungen neben uns - wir rätselten parallel dazu, ob die Bläschen am Ölstab auf eine zerstörte Zylinderkopfdichtung hindeuteten. Ich glaube irgendwie sind wir auf diesem Autotreffen auch aufgefallen. Ich konnte es mir nicht verkneifen am Beschleunigungsrennen teilzunehmen. 75 Serien PS, 165er Winterreifen - damit mußte man doch eine Chance gegen Golf GTIs (schauder) mit 300 und mehr PS haben. Auf halber Strecke wurde mir der Lauf dann zu langweilig und ich fuhr vorsichtshalber Schlangenlinien um den Wagen am Ende der Strecke gekonnt mit der Beifahrertür - diesmal die vordere - an einem Transportanhänger auszubremsen, Hussa - war das nett! Unseren Parkplatz erkannte jeder auf dem Treffen, schließlich waren wir damals Tequilla-Trinker der ganz harten Sorte - rund um die Motorhaube lagen dann auch Zitronenschalen. Unsere Ernährung war damals sehr vitaminhaltig. Gläser hatten wir versehentlich vergessen - Harald trank aus einem Miniaturzahnputzbecher, ich aus dem Deckel meines Deos. Am Sonntag mußten wir hurtig abfahren - Mein Kopilot mußte pünktlich abends auf einem Lehrgang sein. Nach dem Treffen bekam ich einen unerwarteten Anruf von einem anderen Passatfahrer - Olaf. Er fragte mich warum ich so früh verschwunden sei - schließlich hätte ich beim Beschleunigungslauf den 3. Platz gemacht - anscheinend gab es eine Passatklasse, bei der nur 3 Passat mitgefahren sind. Hätte ich das gewußt, wäre ich die Strecke gerade durchgefahren. Den Pokal habe ich irgendwann nachgeliefert bekommen - ein Riesenpott entsprechend der Riesengaudi. Jener Olaf gründete übrigens nach diesem Treffen die Passat Kartei Deutschland, bei der ich das zweite Mitglied wurde. Man merkt, inzwischen mochte ich den Wagen ein wenig.
 
Ich kann es so im nachhinein nicht so genau festlegen, ob das jetzt chronologisch nach oder vor Castrop passiert ist. Auf jeden Fall war ich mit meiner Rakete auf dem Weg nach Bayreuth. Eigentlich nicht die ewige Entfernung, jedoch irgendwie doch an jenem Tag unerreichbar. Das Tempo war Vollgas - logisch - als irgendwie dieses Lämpchen mit dem Ölkännchen drunter das Leuchten anfing und der Motor einfach ausging. Schwung hatte ich genug - also reichte es noch bis zum nächsten Parkplatz. Motorhaube auf und siehe da - ich erkannte Fluchterscheinungen. Das war auch der Grund der Lightshow neben dem Tacho, Das Öl verließ einfach den Motor - durch den Luftfilter! Schnell etwas zum Auffangen druntergestellt und kurz verzweifelt. Über die Notrufsäule den Vater daheim informiert und der kam mit einem Freund, einem Benz und einem Abschleppseil. Diagnose daheim: Motorschaden, genauer definiert: Kolben geplatzt. Der Trend geht ja allgemein zum Zweitmotor. Der lag zufälligerweise gerade so im Keller rum.
Eigentlich war der Motor aus einem 77er Passat, den ich zuvor für 100,-DM ausgeschlachtet hatte, für meinen VW 1600 TL bestimmt gewesen, bot sich aber jetzt an eingesetzt zu werden. Die halbe Nachbarschaft half, den Motorblock an einem Balken mit einem Abschleppseil angebunden in den Motorraum zu heben - mitten auf der Straße übrigens. Darauf kam der 83er Zylinderkopf und siehe da, die eigentlich nicht so vorgesehene Kombination lief absolut prima. Irgendwie standen zwar die verkehrten Buchstaben auf dem Block, aber wen kümmertīs, 75 PS bleiben 75 PS. Es paßten nicht mehr alle Verblechungen mehr auf den Motor - da hatte VW die Befestigungen im Laufe der Jahre geändert, aber ohne sah das alles auch viel schneller aus. Ich brachte gleich noch ein wenig mehr Farbe in den Motorraum - Werkstätten waren immer sehr erstaunt, als sich die Haube hob...
Duschschläuche über den Zündkabeln etc...
So ausgerüstet war der Pappsatt ein zuverlässiges Alltagsgefährt. Irgendwann tausche ich die Beifahrertür auch noch aus, Spachteln war nicht möglich - dazu war es eine einfach zu große Fläche. Die Wahl fiel diesmal auf ein gelbes Exemplar der Kategorie gebrauchtes Blech. Eine Neulackierung sollte diesmal das ganze Auto umfärben. In einem aus heutiger Sicht verwerflichen Kurzschlußentschluß fiel die Wahl auf „widerlich grün“ - aufgetragen mit der Farbwalze. Gut, geplant war noch ein ausgefallenes Streifendesign - die Farbdosen dafür sind aber bis heute ungeöffnet.

Die heilige Garage
Der Farbauftrag begann in Etappen und verzögerte sich immer wieder, weil das Auto ja im Alltagsbetrieb unterwegs war. Parallel dazu machte langsam der Vergaser Probleme, der Pappsatt lief wirklich wahr sehr bescheiden und der Motor schüttelte den Wagen heftigst. Ich jobte zu der Zeit in einer Fabrik, um die Wartezeit auf den Studienplatz zu nutzen und es war wieder Geld auf dem Konto. Ich konnte einfach nicht widerstehen und kaufte mir einen VW 1600 Variant mit Rest-TÜV für 800 Märker. Offiziell um den Pappsatt wieder herzurichten.
Der Pappsatt kam erst einmal in die inzwischen angemietete Garage, wo er länger als vermutet verweilen sollte, aber nicht vergessen wurde...

->Fortsetzung